von Katja Foerster 10. Oktober 2022
Nomadin
von Katja Foerster 13. August 2021
Ich verzichte seit einigen Wochen auf Kohlehydrate - freiwillig. Seit einigen Monaten verzichte ich offenbar auch auf Östrogen - unfreiwillig. Ich habe schon viel über Wut in den Wechseljahren geschrieben. Über kleinere und größere Vulkanausbrüche gepaart mit kleineren und größeren Schweißausbrüchen. Jetzt weiß ich zum Glück endlich, worüber ich geschrieben habe. Vielleicht haben wir auch gerade Sonneneruptionen, einen rückläufigen Merkur und hohe Schumannfrequenzen, zu viele Fliegen in der Wohnung, kollektive Pupse quer sitzen oder akuten maskenbedingten Sauerstoffmangel im frontalen Kortex - seit jedenfalls neben meinem Hormonpolster nun auch mein Spaghettikissen weggefallen ist, pöbele ich hemmungslos und haltlos harmlose und hernach erschrockene Mitmenschen an. Meine Lunte ist kurz, ich esse Rohkost und bin Rohkost - emotional. Gestern hatte ich eindeutig eine Sternstunde: Zuerst musste ein armer Audifahrer vor der Waschanlage daran glauben, der meinte, ich hätte ihm nicht genug Platz gelassen. "Meine Güte, fahren Sie doch einfach durch! Ihr Auto ist auch nicht größer, als die der Anderen!", schreie ich über meine Tochter hinweg durchs geöffnete Beifahrerfenster, während meine Tochter geschmeidig in den Fußraum meines VW-Busses gleitet, um nicht mit mir in Verbindung gebracht werden zu können. Kurz darauf ranze ich meine 82-jährige Mutter an, dass sie doch nun bitte endlich zum Hörgeräteakkustiker gehen soll, da die Kommunikation mit ihr wirklich anstrengend ist. Zum Glück bin ich gar nicht anstrengend. Ein weiterer ahnungloser Autofahrer, der ob meiner unkoordinierten Ausparkmanöver wohl nicht recht weiß, wie und wo er sich verhalten soll schickt mir eine aufgebrachte Handbewegung gepaart mit unartikulierten Urlauten durch den Spätsommerwind. Sicherlich fährt er damit im Regelfall bei Frauen recht gut und kann sein Tagwerk authoritätsgeladen fortsetzten. Im Regelfall. Nicht gestern. "Waaaaaas!!!!!!!! 🤌🏽", pöbele ich. Dabei bricht sich eine, wohl aus einem anderen Leben stammende, typisch italienische Handbewegung ganz natürlich bei mir Bahn. Seine Reaktion gar nicht erst abwartend, brause ich von dannen. Kennt ihr den Film "Grüne Tomaten"? Die Szene, in der Kathy Bates auf dem Supermarkt-Parkplatz einfach das Auto des Mannes immer wieder rammt, der ihr den Parkplatz weggenommen hatte? Ich habe schlimme Befürchtungen. Zu Recht. Meinen ganz persönlichen Höhepunkt habe ich auf dem Edeka Parkplatz in Henstedt-Ulzburg. Mit einem Affenzahn rast ein vielleicht 13-jähriges Mädchen ganz knapp auf ihrem Skateboard von hinten an mir vorbei. Im Normalfall stoße ich vor Schreck einen spitzen "Tante-Rita -Schrei" aus, der leicht mit einem lauten Schluckauf nach zu viel Kohlensäure zu verwechseln ist. In diesem Fall ruft eine Frau, die ich nicht kenne: "Pass' doch auf, das war gefährlich, du blöde K…..!" Ich kann mir das "uh" gerade noch verkneifen, da der Schreck über meinen Ausbruch den eigentlichen Schreck schnell überlagert. So ist es also um mich bestellt. Ich erinnere mich gerade daran, dass ich Ende letzten Jahres mit meiner Nachbarin Jahreskarten für 2021 gezogen habe. Meine war Kali. Ein Jahr voller Trauer. Wut. Transformation. Eine starke und schwere Karte. Ich hatte mir so sehr ein leichtes Jahr gewünscht. Aber Transformation kommt ja auch noch. Außerdem bleiben mir noch die Kohlehydrate.
von Katja Foerster 9. August 2021
„Das ist mein Herzblut hier.“ sagt Mirco S., der zweite Vorsitzende des Kleingartenvereins „Rudbeckia“. „Muss aber auch alles im Rahmen bleiben- verstehen Sie?“ Ich verstehe oder vermute zu verstehen. Ich habe mich im Rahmen meiner akuten Gartensehnsucht in einen Schrebergarten in einem kleinen Dorf in der Nähe verliebt. Der jetzige Pächter, ein evangelischer Pastor, hat dort innerhalb eines knappen Jahres einen fantastischen Permakultur-Garten angelegt. Allerdings ist durch diese völlig andere Art der Gartenkultur und durch ein paar andere Unwägbarkeiten, wie das Hissen einer Regenbogenflagge, das Verhältnis zwischen Ihm, dem Pastor, und dem Vorstand des Kleingartenvereins offensichtlich ein wenig erkaltet. Ich bin jedenfalls alles andere als erkaltet, wandele durch pralle Tomaten und glänzende Auberginen, bewundere einen Riesenkohl, lasse mich von einer Topinambur anlächeln und stecke mir verstohlen eine Stachelbeere in den Mund, während ich den Anbaupraktiken des Pastors lausche. (Entweder gibt es viel mehr Pastoren als ich dachte oder das Universum will mir etwas mitteilen, indem es mir in regelmäßigen Abständen den einen oder anderen in mein Leben schickt) Ich stehe jedenfalls total auf Permakultur. Nach einem Seminar vor einigen Jahren ist das für mich die sinnvollste Art der Anbaukultur überhaupt. Ein nachhaltiger Kreislauf, in dem sich alles gegenseitig unterstützt und darauf ausgerichtet ist, dass der Mensch so wenig wie möglich eingreifen muss. Wasserflächen werden als Sonnenlichtreflektoren genutzt und große Steine als Wärmespeicher, um auch temperaturempfindlichere Pflanzenwesen willkommen zu heißen. Hohe Pflanzen helfen denen, die eine Rankhilfe benötigen und großblättrige geben empfindlichen Wurzeln Schutz. Es gibt keine Unkräuter, nur Beikräuter, die gleichzeitig als Mulchschicht verwendet werden. Tiere sind in jeder Art willkommen und werden höchstens zu für sie attraktiveren Möglichkeiten umgelenkt, wenn sie zu „übergriffig“ werden sollten. Das lässt sich natürlich auch ganz prima auf wünschenswerte Gesellschaftsformen, Firmenstrukturen und Team-Building übertragen, und auf unsere Welt im Allgemeinen. Vielleicht ahnt aber die eine oder andere bereits, dass sich das mit gängigen Kleingartenstatuten nicht so gut verträgt. Jedenfalls gibt es einen Bandscheibenvorfall, der, neben anderen Vorfällen dazu geführt hat, dass dieser wunderbare Garten abgegeben werden soll. Die Pacht für das Jahr ist bezahlt und man möchte dieses Paradies schnellstmöglich loswerden. Mirco S., der zweite Vorsitzende, der das Grundstück nach einem dieser Vorfälle nicht mehr betritt, bestätigt das. „Naja, der hätte ja sagen können, dass er hier so ein Pirmasens machen will.“ „PIrmasens? Sie meinen Permakultur?“, frage ich. „Na, sag ich ja. Und das geht ja auch ein bisschen geordneter, so ein Pirmasens. Ich hab mich da mal schlau gemacht. Man ist ja auch offen für Neues. Ich lass’ immer mit mir reden. Vorne am Aushang steht meine Handynummer. Rufen Sie mich an. Sie können den Garten gern übernehmen, wenn Sie möchten.“ „Klar. Ich melde mich.“, erwidere ich einigermaßen freundlich und trete möglichst zügig meinen Rückzug über den gerade letztes Jahr erneuerten Schotterweg an, auf dem sich schon jetzt wieder die Natur in Form einiger ärgerlicher Grasbüschel zeigt, um die sich Herr S. gleich kümmern wird.
von Katja Foerster 6. August 2021
I ch gehe nicht gern allein spazieren. Ich kann dem sinnlosen Umherwandern nicht so viel abgewinnen - weiß aber, dass es mir guttut. Wie das eben so ist mit Dingen, die guttun. Selleriesaft zum Beispiel. Aus diesem Grund bin ich immer dankbar, wenn meine liebe Nachbarin verhindert ist und mir ihren Labrador anvertraut. Mit Hunden macht Spazierengehen Sinn. Und mit anderen Menschen natürlich auch ein bisschen .Heute ist Lea aus Berlin bei uns zu Besuch. Da sie unter akutem Naturmangel leidet, schlage ich generös eine Runde durchs Nienwohlder Moor vor, ohne diese jemals zuvor selbst gelaufen zu sein. Dazu leihen wir uns noch Romy, den erwähnten Nachbarslabrador aus, obwohl meine Nachbarin zuhause ist, damit alles noch mehr Sinn macht. Es sind angenehme 23 Grad, das Leben ist schön, der Hund ist hochmotiviert - das ist keine Selbstverständlichkeit, Lea entzückt von jedem Baum und der Landschaft im Allgemeinen. Wir führen tiefe Gespräche, setzen uns auf Bänke ,singen ein wenig oder schweigen angenehm. Nach einer Weile zieht uns eine Wiese in ihren Bann. Der große Findling am Rande verspricht, hier die Quelle der Norderbeste zu finden. Quellen sind immer gut finden wir, kraftvoll, heilig - ihr wisst was ich meine. Also lassen wir uns dort nieder. Die Quelle an sich hatten wir uns anders vorgestellt. Das hier ist eindeutig nur ein kleines mooriges Loch und kein sprudelnder Lebensquell, der Kühlung und Verjüngung verspricht. Also gehe ich mit Romy das kleine Rinnsal entlang, um irgendwo etwas Sprudelndes auszumachen. Lea liegt derweil im Gras und singt. Wir haben keine Eile. Plötzlich ein Hupen. Der Fahrer des Pickups, der neben unserem Rastplatz parkt blickt ganz eindeutig in meine Richtung, während Lea neben ihm im Gras immernoch singt und davon nichts mitzubekommen scheint. Ich mache mich mit Hund auf in seine Richtung und nehme näherkommend noch weitere Details wahr. 1. er schaut in meine Richtung, und zwar nicht besonders freundlich, 2. er ist ungefähr in meinem Alte r3. er hat zwei beschnullerte Kleinkinder unangeschnallt auf seinem Schoß und dem Beifahrersitz. 4. Lea singt immer noch .„Halloho!“ schmettere ich ihm freundlich entgegen. Er schmettert zurück, dass es nicht ok ist, den Hund unangeleint laufen zu lassen. Oha, denke ich - er hat Recht. Daran hatte ich als unaufmerksame Leihundspaziergängerin nicht gedacht - was aber auch daher rührt, dass Romy eine so überaus gehorsame und entspannte Begleiterin ist, dass ich ihr sofort das Fehlen jeglicher animalischer Instinkte attestieren würde. (Vorausgesetzt sie ist nicht läufig - siehe auch “Spaziergang im Wald” ) Das ist jetzt allerdings nicht relevant, beschließe ich, da der Moorsheriff gegen derartige Entschuldigungen bestimmt (berechtigt) immun ist. Also nehme ich Zunge und Hund an die Leine und entschuldige mich. Damit ist es allerdings noch nicht getan. Was wir denn auf der Wiese machen würden? Liegen, singen, entspannen.... (Auch Lea hat mittlerweile gemerkt, dass wir gemeint sind )  Das sei auch nicht ok, da Grundstücke neben den Wegen grundsätzlich Privateigentum seien. Ich verkneife mir, dass mir dieses gänzlich neu ist und ich es zudem stark anzweifele, da es hier offensichtlich um etwas anderes geht. Ebenso lasse ich unerwähnt, dass man sicherlich zweierlei Meinung über unangeschnallte, beschnullerte Kleinstkinder auf Vordersitzen sein könnte. Nun denn. Wir sind freundlich und verweisen auf den Findling, der hier auf eine Quelle hinweist, die wir besuchen wollten .„Ahaaaaa“, entgegnet er etwas süffisant. „Wissen Sie denn überhaupt, wo die Norderbeste hinfließt?“ in diesem Moment passiert etwas sehr Merkwürdiges. Verursacht durch mein Schultrauma ( Ihr erinnert euch: Physik 5, Chemie 5; sonst bitten lesen: “Im Schwimmbad”) mutiere ich innerhalb von Sekunden zu der 14-jährigen Katja und antworte gehorsam: “In den Grabauer See”. “Und dann”, fragt der Sheriff. “In die Trave”, kontere ich. “Und dann?” lässt er nicht locker. “Durch Bad Oldesloe, Lübeck und Travemünde in die Ostsee.!” Ha! Ich staune selber darüber, aus welchem Hirnareal ich diese Informationen gezaubert habe .“Stimmt!” Jetzt wirkt er doch einigermaßen verwundert, irgendwie auch besänftigt - haben wir uns doch gerade offensichtlich durch geografische Expertise die Legitimation erteilt, diese Quelle besuchen zu dürfen. Schnell nutzen wir den kurzen Moment des Erstaunens, wünschen einen schönen Tag und ziehen von dannen .Habe ich eingangs eigentlich erwähnt, dass wir weder Uhren, Handys geschweige denn Wasser dabei hatten? Es sollte ja nur ein kleinerer Spaziergang werden. Unser Zeitgefühl hat uns jedenfalls spätestens nach dieser Episode vollends verlassen. Mit meiner Orientierung ist es auch nicht mehr so dolle. Ich weiß nur, dass wir tendenziell nach rechts müssen. Rechts ist allerdings nicht möglich, da es schlichtweg keine Wege gibt, die nach rechts führen. Ich fühle mich etwas müde und ratlos. Ein älteres Radfahrerpaar, das glücklicherweise hinter uns aus dem Nichts auftaucht ermittelt per GPS unseren Standort und fragt, ob wir nicht von hier seien. “Nein, sind wir nicht. Wir sind heute morgen am Hauptbahnhof in Hannover gestartet und haben uns jetzt irgendwie verlaufen”, würde ich nur zu gern erwidern, muss jedoch ehrlich wie ich bin gestehen, in Nienwohld zu wohnen und es in über einem Jahr noch nicht geschafft zu haben eine vollständige Runde durchs Moor zu drehen. Mittlerweile wissen wir durch die gute technische Ausstattung des älteren Herren, dass wir seit über 4 Stunden unterwegs sind und noch ein Streckchen vor uns haben. Wie konnte das passieren? Ist das Moor ein Ort, an dem die Zeit im morastigen Boden einfach versickert? An dem Unbekannte seltsame Fragen stellen, um dir Orientierung und das letzte verbliebene Zeitgefühl zu nehmen ?Romy blinzelt durstig, ich denke an meine Nachbarin, die davon ausgehen muss, dass wir auf ewig im Moor versunken sind, und in 1000 Jahren in einer marsianischen Variante des Schlosses Gottorf hinter Panzerglas zu bewundern sein werden. Ich frage das nette Ehepaar vorsichtshalber noch nach einer seriösen Adresse für neue Hüftgelenke, Lea ist mit ihren 21 Jahren noch frisch wie der Morgenwind. Wir beschließen, dass der erste Hof am Horizont unserer sein wird. Die Bäuerin versorgt den Hund und uns mit Wasser, nicht ohne zu fragen, ob wir nicht von hier seien..., und ihr Sohn versorgt uns mit seinem Mobilfunknetz. Meine Tochter Hannah versorgt uns mit einer Mitfahrgelegenheit nach Hause und spöttischen Blicken .Ich nehme mir vor, zukünftig mehr Selleriesaft zu trinken . Merke: Tour im Nienwohlder Moor beginnend bei Dorfstraße 47: 9,85 km Dauer: ab 2,5 Stunden (Normalsterbliche) bis ~ (Unerfahrene) Mitnehmen: 1. Handy, 2. Wasser, 3. Schutzamulett Achtung: 1. Hund anleinen, 2. Wege nicht verlassen, 3. sich von Fremden nicht in Fragespiele verwickeln lassen (ggf. unter Punkt “Mitnehmen” Nr. 3 anwende n)
von Katja Foerster 6. August 2021
“Ist eine Schwangerschaft auszuschließen?” fragt mich die nette zahnmedizinische Assistentin vor dem Röntgen. Ich schaue sie von der Seite an, um festzustellen, ob sie sich über mich lustig macht. Zugegeben: Ich habe kürzlich etwas mehr für mein Make-up ausgegeben als üblich, aber dass die Wirkung so ... “Ich denke nicht - mit 52”, entgegne ich belustigt und auch ein wenig geschmeichelt. “Naja, das weiß man ja heutzutage nicht, in Hollywood passiert das ja schon ab und zu. Vielleicht sehen Sie heute ein bisschen nach Hollywood aus.” (!!!!!!!!!!!!!!) Nun gut, das will ich auch gar nicht zerreden. Bei Arztbesuchen neige ich nämlich zum Zerreden, also eigentlich zum Reden im Allgemeinen. Damit meine ich nicht den normalen höflichen Smalltalk sondern ganz furchtbares Sabbeln gepaart mit zotigen Witzen - je nach Grad der Anspannung. Beim Zahnarzt kann es erfahrungsgemäß sehr schlimm werden. Bei meinem letzten Zahnarzt, der ein wenig wie Bastian Pastewka aussah, habe ich das ganze Behandlungszimmer unterhalten. Daran war aber bestimmt auch sein Aussehen schuld und natürlich der Verlust eines Backenzahnes. Besonders schlimm war es neulich im Krankenhaus vor meiner ersten Vollnarkose. Bereits auf dem Weg in den OP habe ich den Anästhesisten in verbale Geiselhaft genommen über das Leben im Allgemeinen, seine blauen Augen, die neuesten Qualitätsstandards des Oldesloer Krankenhauses und die Frage, warum Pizza nicht in runden Pappen geliefert wird, bis ihm schließlich nichts anderes mehr blieb, als mich mit einer wahrscheinlich doppelten Dosis und den Worten “Macht doch nichts” und “gute Reise” endgültig in unbekannte Sphären zu schießen. Ich fand das sehr schade, da ich ihm gern noch vorher einen Heiratsantrag gemacht hätte. Das kommt nämlich noch erschwerend hinzu: In diesen angespannten Arzt-Situationen entwickle ich schnell ein abgeschwächtes Stockholm-Syndrom, verliebe mich kurzfristig in meinen Peiniger und wäre durchaus zu spontanen Treueschwüren bereit - nur damit man mir wohl gesonnen bleibt. Wir werden also sehen, was mit dem Zahnarzt wird. Das ist eine Frage des Behandlungsplans. Jetzt fühl ich mich erstmal Hollywood. (Unter dem Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert.)
von Katja Foerster 6. August 2021
„ Ist das Ihre Katze da auf dem Dach?“ fragt mich eine aufgeregte ältere Dame nachdem sie bei uns Sturm geklingelt hat. Ich schaue nach oben und tatsächlich: Unser Kater Rocky veranstaltet anlässlich seines gestrigen fünften Geburtstags ein öffentliches Schaulaufen für seine Anhängerschaft auf seinem ganz persönlichen Catwalk. „Der ist doch so ein Hübscher. Das geht doch bestimmt nicht gut.“ WIE BITTE? Ich würde sagen, das ist ein ganz schwerer Fall von Katzismus, den ich hier bezeugen darf. Nur weil der Kater hübsch ist soll er nicht in der Lage sein, sich auf dem Dach des ziemlich großen und hohen Bauernhauses, in dem wir wohnen zu vergnügen, ohne runterzufallen. Nicht in der Lage sein, gute, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen? Tztztz .... Immerhin hat Rocky in den vergangenen zwei Jahren, in denen wir hier auf dem Lande wohnen einiges an Körperteilen gelassen, um sich seinen Status als Andy Garcia unter den Dorfsheriffs zu erkämpfen. Von den Tierarztrechnungen einmal ganz abgesehen. Jeden Morgen macht er nach dem Frühstück seinen engagierten Kontrollgang, überprüft, ob die Kühe noch genug Wasser haben und protokolliert unerlaubte Mindestabstände bei seinen Artgenossen. Das Ganze mit einem lässigen, breitbeinigen Gang, der darauf hindeutet, dass er ganz offensichtlich bereits vergessen hat, dass wir ihn vor 4 Jahren seiner physischen Männlichkeit beraubt haben.  Zudem gehen wir davon aus, dass er mit List und Tücke und einem sehr genau ausgeklügelten Plan, den er während seiner mindestens 21stündigen täglichen Meditationszeiten geschmiedet hat, die alte arthritische Hofkatze letztes Jahr zu einem verzweifelten Suizid unter den Treckerreifen unseres Vermieters gelockt hat, der gerade rückwärts aus dem Schuppen ausparkte, was ihn wiederum zum alleinigen Herrscher über das hiesige Anwesen machte. Ich bedanke mich also freundlich bei der älteren Dame für ihre Fürsorge, gehe auf unsere Terrasse und rufe den Sheriff, der hocherfreut und behende über die Dachstufen für den Schornsteinfeger das Dach hinunterläuft, auf die Terrasse springt und tut als wäre nichts gewesen. Ich vermute, dass es nicht seine erste Parade da oben war.
von Katja Foerster 6. August 2021
 Freunde und Familie wissen bereits, dass meine Tochter, ich und unser Kaminbauer Herr J. (wir erinnern uns: "Der Kaminofen") davon überzeugt sind, dass die Menschen im Kreis Stormarn aus einem für uns erst einmal nicht ersichtlichen Grund ein weitaus sonnigeres Gemüt haben als wir es aus dem Kreis Segeberg gewohnt waren. Nachdem Verwerfen eines möglichen Drogenabusus' haben wir mit Ortsansässigen folgende Gründe für diese für uns ungewohnte Geisteshaltung erarbeitet. Der Kreis Stormarn hat das höchste Bruttosozialprodukt Schleswig-Holsteins und das zehnthöchste Deuschlands. Was wieder einmal beweisen würde, dass Wohlstand doch auch ungemein entspannen kann. Der damalige Gutsherr Paschen von Cossel, ein Verfechter der geistigen Freiheit schaffte im Jahre 1785 die Leibeigenschaft ab und war damit seiner Zeit 20 Jahre voraus. Und da wir wissen, wie das so mit den kollektiven Feldern ist trägt sich dieser wunderbare Freiheitsgeist über die Generationen von Menschen und Herzen immer weiter. Es ist einfach schön hier. Die eiszeitliche Endmoränenlandschaft schmeichelt mit ihren sanften Hügeln Auge und Seele. Die Böden sind fruchtbar, die Menschen und Tiere sind es auch, die Bauern zitieren Nietzsche und die Feste werden gefeiert, wie sie fallen. Die Regionalbahn. Sie befördert die Stormarner schwupp die wupp nach Hamburg und dabei schwappt immer ein wenig Großstadtflair in den Kreis während gleichzeitig der Blick auf Wiesen, Felder und Wälder den Geist erfrischt. Wie dem auch immer sei, ich kann jeder schlecht gelaunten Seele nur empfehlen, einen kleinen Einkaufsbummel in der Bargteheider Innenstadt einzuplanen. Das kleine Wellness-Shopping-Paket beinhaltet: Einkehr bei Friseur H. als Neukund*in. „Darf ich ihnen eine kostenlose Handmassage anbieten? Welches dieser Öle möchten Sie sich dafür aussuchen?“ „Ich hole Ihnen eben ein Wärmekissen für Ihren Nackenbereich, damit Sie nicht auskühlen, während die Farbe einzieht.“ „Ihr Cappucchino wird ja ganz kalt. Bitte trinken Sie, ich warte dann.“ Dann geht es wohlfrisiert weiter zum Einkaufsbummel durch die Rathausstraße. Unerlässlich: Den Menschen in die entspannten Gesichter schauen und ab und zu selber lächeln. Mindestens 7 Geschäfte besuchen und sich eine freundliche Begrüßung abholen (und erwidern!), ein Gespräch beginnen (falls dieses nicht sowieso schon durch die gut gelaunte Einzelhändler*in begonnen wurde.), eine Kleinigkeit kaufen oder auch nicht und den Abschiedsgruß nicht vergessen. Als krönenden Abschluss empfehle ich einen Besuch in der ansässigen Gastronomie im Außenbereich. Dort nimmst du ein Kaffeegetränk oder ein leckeres Eis zu dir und lässt die entspannte Heiterkeit der Passanten einfach nur wirken. Meine Mantra- Empfehlung dazu wäre: "Mit jedem Passanten nehme ich immer mehr der entspannten Heiterkeit um mich herum wahr und integriere diese in mein Bewusstsein. I am Love - Stormarn-Love." Ich biete mich für diese Erfahrung natürlich gern als Begleiterin und Anleiterin an. Mein Stundensatz beträgt dafür ganz entspannte 500,- Euro. Schließlich arbeite ich gerade an meiner Kreis-Kompatibilität.
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